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Anlagen zum Jahresbericht 1996

Resolution der Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften

Die Delegiertenkonferenz der Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften (AWMF) am 6. Mai 1995 in Frankfurt am Main hat das Präsidium der AWMF beauftragt, die nachfolgende Resolution an die zuständigen Parlamente und Ministerien von Bund und Ländern sowie an die Öffentlichkeit zu richten:

Resolution

Die AWMF fordert aus ihrer Mitverantwortung für die deutsche medizinische Forschung einen gesetzlichen Geheimschutz für personenbezogene medizinische Forschungsdaten (sog. "medizinisches Forschungsgeheimnis") in Ergänzung der Rechtsstellung des ärztlichen Berufsgeheimnisses (Bundesdatenschutzgesetz BDSG, StGB, StPO), dessen Einführung unverantwortbare Blockaden medizinischer Forschung beseitigen und gleichzeitig persönliche Patientengeheimnisse zuverlässig schützen kann.

Begründung:

- Diese Entwicklung ist zur Sicherung des Forschungsstandortes Deutschland dringlich, um derzeitige datenschutzbedingte Blockaden, Hemmungen und Entmutigungen deutscher medizinischer Forschungen abzubauen, die vor allem zur Bekämpfung bedeutender Volkskrankheiten erforderlich sind.

- Die derzeitigen Datenschutzblockaden betreffen die Zusammenführung personenbezogener Daten aus verschiedenen Quellen, die eine zuverlässige Unterscheidung zwischen "Fall" und "Person" erlauben muß.

Die Blockaden treffen besonders die in Deutschland unterentwickelte Epidemiologie, aber auch die Erforschung aller Krankheiten, bei denen regionale, soziale und psychische Faktoren präventiv, therapeutisch und gesundheitspolitisch berücksichtigt werden müssen.

- Die deutschen Forschungsmängel dieser Art können wegen der internationalen Ungleichheit der zu erforschenden Verhältnisse nicht (wie in anderen Bereichen) durch die blühende internationale Forschung und durch fremdsprachliches Lesestudium ausgeglichen werden.

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Ein medizinisches Forschungsgeheimnis

- muß zuverlässig tatsächliche Patienteninteressen schützen, die auf strikte Wahrung persönlicher Geheimnisse gegenüber bestimmter Personen, Institutionen und der Öffentlichkeit überhaupt gerichtet ist, in der Regel aber nicht gegen schweigepflichtige, behandelnde und forschende Ärzte und nicht gegen anonymer Forschungsnutzung persönlicher Daten, die zur Hilfe für Patienten von Morgen beitragen sollen.

- Eine Zustimmung des Patienten zur Forschungsnutzung seiner geheimnisgeschützten persönlichen Daten ist nicht erforderlich. Unberührt bleibt das Recht des Patienten, die Forschungsnutzung seiner Daten grundsätzlich zu verweigern.

- Ein "medizinisches Forschungsgeheimnis" kann die forschungshemmende Zurückhaltung behandelnder Ärzte gegen die Abgabe von Patientendaten mindern, der bisher noch Befürchtungen für mißbräuchliche Nutzungen zugrunde liegen.

- Ein "medizinisches Forschungsgeheimnis" kann die Nutzung der Routinedaten der gesetzlichen Krankenkassen und anderen Sozialleistungsträger für versorgungsepidemiologische Fragestellungen erleichtern. Die Nutzung wird durch den ständigen Wandel der speziellen Datenschutzbestimmungen in den Sozialgesetzen und - daraus folgend - durch unterschiedliche Rechtsauslegung erschwert und verunsichert.

- Ein "medizinisches Forschungsgeheimnis" kann die Fehlentwicklung der Krebsregistergesetze korrigieren, die zwar der Krebsforschung nutzen, die aber wegen des Anspruchs, die Erforschung bestimmter Krankheiten gesetzgeberisch zu regeln, vergleichbare deutsche epidemiologisclie Forschung praktisch blockiert, weil diese auf Bildung zahlreicher krankheitsspezifischer und fachspezifischer Register angewiesen ist. (Das Bundeskrebsregistergesetz ist seit dem 01.01.95 in Kraft!)

Es ist ausgeschlossen, daß die gesetzgebenden Körperschaften des Bundes und der Länder diesen hochdifferenzierten, umfangreichen und zunehmenden Forschungserfordernissen der Medizin gerecht werden können, selbst wenn sie es wollten.

Beispiele für einschlägige Datenschutzschäden:

- Das zerstörte Mannheimer Schizophrenieregister (Häfner)

- Das zwar noch gerettete, aber sterilisierte Krebsregister der DDR

- und deren Diabetes-Register (Chr. von Ferber), die unter totalitären Staatsverhältnissen ohne ein "Forschungsgeheimnis" gebildet worden sind.

Um diese Ziele zu erreichen, sollte ein "medizinisches Forschungsgeheimnis", das von einer Ethik-Kommission für bestimmte einzelne Forschungsvorhaben mit bestimmten Forschungsbeteiligten anerkannt sein muß, die Folge haben,

- daß gegenüber dem Forschungsbeteiligten keine Schweigepflicht besteht und daß das "Forschungsgeheimnis" alle personenbezogenen Daten aus allen Quellen umfaßt, die für diese anerkannte Forschung benötigt werden.

- daß das medizinische Forschungsgeheimnis, "strafbewehrt" gegen jede Offenbarung, der ärztlichen Schweigepflicht unterliegt und, wie diese, durch ein Beschlagnahmeverbot und ein Zeugnisverweigerungsrecht (StGB und StPO) geschützt wird.

Die hohe Kultur des Datenschutzes in Deutschland will die AWMF gefördert sehen durch Korrektur einer Fehlentwicklung, die die Bekämpfung vieler Krankheiten, darunter wichtiger Volkskrankheiten, behindert, ohne damit wirklichen Patienteninteressen zu dienen.

Begründende und weiterführende Literatur:

Bochnik, H. J. und Gärtner-Huth, C.: Ärztliche Schweigepflicht zwischen Persönlichkeitsrechten, Sozialansprüchen und Forschungserfordernissen. In: Abt, K.,

Giere, W., Leibner, B. (Hrsg): Krankendaten, Krankheitsregister, Datenschutz. 29. Jahrestagung der GMDS, Springer, Berlin 1985, S. 545 - 564.

Bochnik, H. J.: Ein "medizinisches Forschungsgeheimnis" im Datenschutzgesetz könnte deutsche Forschungsblockaden beseitigen. Medizinrecht, 1994, S.398 - 400.

Dhom (Hrsg.): Epidemiologische Forschung, und Datenschutz in der Medizin. Symposium der Akademie der Wissenschaften und Literatur Mainz, (Februar 1991), Gustav Fischer, Stuttgart

1992.

Häfner, H., Häfner, G.: Forschung und Datenschutz. Produziert die neue Gesetzgebung ein forschungsfeindliches Klima? Mitteilung des Hochschulverbandes I/36, 1988, S. 178 - 184, 11/36, 1988, S. 230 - 235.

Häfner, H., Pfeifer-Kurda, M.: The Impact of data protection laws of the Mannheim Case Register in: Ten Hom et al. (Hrsg.): Psychatric case registers in Public Health. Elsrise, 1988.

Protokoll der Sitzung des Arbeitskreises Ärzte und Juristen der AWMF am 18./19.11.94, Teil 1: Medizinische Forschung und Datenschutz.

Zuletzt geΣndert:
am 02.03.97

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